Die Weisheit der Kastanie

„Eine Kastanie in der Tasche, und du hast immer Geld“. Diese deutsche Redensart sollte man nicht allzu wörtlich nehmen. Als Teenager und mittellose Studentin schleppte ich tatsächlich mehrere Monate eine Kastanie in der Hosentasche herum. Doch weil sich meine finanzielle Lage in dieser Zeit nicht wirklich verbesserte, gab ich es bald wieder auf.

Was ich nicht aufgegeben habe, sind meine langen, entspannenden Wandertouren durch die Kastanienwälder der Toskana. Es war im vergangenen Oktober, ich war gerade auf einer ausgedehnten Kastanienwanderung am südlichen Abhang des Monte Amiata, als ich Alessandro traf. Er ist ein sympathsicher, freundlicher Mann im besten Alter und von Beruf Kastanienbauer. Ich war fasziniert von seiner Maschine, mit der er die castagne aufsammelte. Ich hatte noch nie so etwas gesehen.

„Du hast ja einen lustigen Apparat, Alessandro. Es sieht aus wie ein Staubsauger für Kastanien!
– Ja, es schont meinen Rücken. Ich kann mich nicht mehr bücken, ich hab Kreuzschmerzen. Äh, wie heißt Du nochmal?
– Katharina.
– Gut, Katharina, willst Du das Ding mal ausprobieren?“

Er gab mir das Gerät und ich saugte ein paar Minuten lang Kastanien auf. Es machte Spaß! Anschließend gab mir Alessandro eine große Tasche Kastanien.

„Oh danke! Alessandro, ich werde bald eine reiche Frau sein!“

Allessandro verstand nichts, und so erklärte ich ihm das deutsche Sprichwort mit den Kastanien in der Tasche. Er kannte es nicht, aber er lächelte.

„Das ist aber weit von der Realität entfernt. Wenn es stimmen würde, wäre ich seit Jahren ein gemachter Mann.“

Wir lachten beide, dann machte ich ein paar Fotos von seinem wunderschönen Kastanienwald. Als ich micht von ihm verabschiedete, um ihm nochmal zu danken, meinte er zu mir:

„Weißt Du, Katharina, die Kastanien haben hier in der Toskana die Leute vor dem Hungertod gerettet. Kastanien und Kastanienmehl waren jahrhundertelang die Wintervorräte der hiesigen Bevölkerung. Das Sprichwort sollte heißen „Eine Kastanie in der Tasche und du hast nie einen leeren Magen.“

Das ist jetzt Gedankenfutter, oder?

 

Katharina's Italy

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