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Sep 23, 2013

Der rehabilierte Prophet der Toskana

Der Torre Giurisdavidica steht noch immer auf dem kargen Gipfel des Monte Labbro ©Susan Fateh
Die Kapelle fügt sich in eine Höhle auf dem Gipfel. ©Susan Fateh
Lazzaretti sagte, wenn er aus der Höhle trat, fühle er sich wie neu geboren. ©Susan Fateh
Eine kleine Rast auf dem windigen Gipfel ©Susan Fateh
In Arcidosso wurde ein Forschungszentrum für Davide Lazzaretti eingerichtet.
Hier ein Portrait des “Christus der Armen”. ©Wikipedia

Einige meiner Leser können sich vielleicht erinnern, dass ich in meinen früheren Blogs den Monte Amiata erwähnt habe, den höchsten Berg der Toskana, mit seinen prachtvollen 1738 m.  Noch nicht erwähnt habe ich allerdings seinen Nachbarn, den  Monte Labbro. Er erhebt sich als Solitär an den südwestlichen Ausläufern des Monte Amiata und bringt es immerhin auch auf über 1000 m. Er ist, im Gegensatz zum großen Bruder, ein karger, ernster Ort, mit einer unwirtlichen Landschaft. Aber wer sich aufmacht, ihn zu besteigen, dem begegnen auf dem Weg zu seinem windigen, zerklüfteten Gipfel erstaunliche Zeugnisse menschlichen Wirkens.

Daria Cervini, die Besitzerin des Trust & Travel Landguts Vivo d’Orcia, hat mich vor langer Zeit einmal dorthin mitgenommen. Und dort begegnete mir auch das erste Mal der „ausgestoßene Prophet der Toskana“, nämlich Davide Lazzaretti.

Davide Lazzaretti wurde 1834 geboren, er stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Als junger Mann behauptete er, religöse Visionen zu haben, bezeichnete sich als der „Christus der Armen“ und brachte mit der Zeit die Bürger und Grundbesitzer gegen sich auf. Er wurde einige Male wegen Aufwiegelei verhaftet.

Mit seinen Jüngern errichtete er nahe des Gipfels des Monte Labbro ein Gebäude mit kreisförmiger Struktur, den Torre Giurisdavidica , eine kleine Kirche und einen Versammlungsort. Dort konnte er Zuflucht finden und mit seinen Anhängern seine Philosophie der Gleichheit diskutieren.  Die Überreste der Anlage können heute noch besichtigt werden. An klaren Tagen kann man vom Torre Giurisdavidica sogar Rom erkennen.

Im August 1878 führte Davide Lazzaretti eine friedliche Prozession durch das nahebei gelegenene Dorf Arcidosso. Während der Prozession wurde die unbewaffnete Schar von einer Bürgerwehr aufgehalten, die sofort das Feuer eröffnete. Lazzaretti traf eine Kugel in den Kopf, er war sofort tot. Zwei weiter Anhänger bezahlten ebenfalls mit ihrem Leben, und 40 von ihnen wurden verwundet.

Nach seinem Tod ging das Tauziehen um sein religiöses und philosophisches Vermächtnis innerhalb der Kirche weiter. Eigentlich ist man bis jetzt noch nicht zu einer einstimmigen Meinung gelangt. Aber in der Gegend rund um Amiata hat er noch immer Anhänger, die sich darum kümmern, die Fackel weiter zu tragen.  Jedes Jahr im August begibt sich eine Delegation auf den Weg zum Monte Labbro, man bringt für zum Gedenken Blumen mit, Gebete oder Gedanken der Erinnerung.

In Arcidosso wurde zum Zeichen seiner Rehabilitation eine Lazzaretti-Forschungs-Zentrum eingerichtet und die Bücherei von Arcidosso beherbergt nun das Davide Lazzaretti-Museum.

Ans Herz legen möchte ich Ihnen aber einen Ausflug auf den Monte Labbo. Es war für mich eine tiefe, unvergessliche Erfahrung, und ist das sicher auch für Sie.

Bis nächste Woche,

Katharina's Italy